In seiner Live-Performance unternimmt das Filitosa Project den Versuch akustische und optische Räume zu schaffen, in denen das Ich in seinem Bezug zu seiner eigenen Vergangenheit auf die Suche gehen kann zu seinem jeweiligen Jetzt. Dabei führt die Musik die Hörer auf eine Reise zu archetypischen Orten ( Dschungel, Wüste, Höhle...), jedoch “without going out” - im Sinne von Lao Tse - ohne hinauszugehen, auf eine Reise in der Imagination.
Verwoben mit den musikalischen Ereignissen findet mittels ausgewählter Texte eine zweite Reise zu markanten wiederum archetypischen Situationen auf der Reise durch das Leben ( Kindheit, Heranwachsen, Liebe...) statt. Im Tanz werden diese Orte und Erfahrungen miteinander verwoben und in Bewegung umgesetzt, die ihrerseits Erinnerungsräume eröffnen. Beim Betreten der optisch und akustische erzeugten Imaginationsräume besteht die Möglichkeit , dem eigenen Ich zu begegnen im Augenblick des Geschehens, dem Jetzt.
Ausgeführt von Sonja Blank, Katja Loepke, HO Moritz, Doris P. Schmidt, Friedrich Schmidt, Thomas Zwerina.
Über die filitosa live performance in Marburg, Waggonhalle am 17.5. + 18.5.2002 schrieb André Hille (Marburger Neue Zeitung):
Eine Geburt tanzen: Ein schwach angestrahlter Körper liegt still auf dem Boden. Zunächst bewegt sich nur ein Finger, ganz leicht. Kurz darauf schaukelt schon eine Hand wie ein Uhrenpendel hin und her. Langsam kommt stärkere Bewegung in den Körper, er steht auf, kämpft gegen eine unsichtbare Wand, öffnet sie, kriecht durch sie hindurch und ... ist draußen.
Neugierig und ängstlich blickt sich der neue Mensch um und wagt die ersten Schritte. "Am Anfang ist die Phantasie" rezitiert eine Stimme aus dem Dunkeln und mystische Klänge einer E-Geige unterlegt von psychedelischen Naturklängen setzen ein. Am Freitagabend gastierte in der Waggonhalle das Giessener "Filitosa Project" und führte eine Live-Performance auf, die ursprünglich aus einem musikalischen Studioprojekt entstand.
Friedrich und Doris P. Schmidt spielten im Jahr 2000 die CD "Without Going Out" ein - ein Album, dessen Musik aus Naturinstrumenten und Vokal-Klangensembles, Naturklängen und digital erzeugten Sounds die Langsamkeit zelebriert. Nach dieser Musik wurde eine Text-, Klang- und Tanzcollage unter dem Titel "Reise zum eigenen Jetzt" entwickelt, die um Stationen des menschlichen Werdens und Seins, archetypische Entwicklungsschritte und Wendepunkte in einer Biografie (Kindheit, Heranwachsen, Liebe) kreist. Der Ausdruckstanz der Tänzerin Sonja Blank kontrastierte dabei die ins Innere des Zuschauers zielende psychedelische Klang-Rezitation als sichtbar gemachte "Reise-Erfahrung" eines konkreten Menschen - gelungene tänzerische Interpretationen zum Beispiel einer Geburt oder der (weiblichen) Emanzipation. Doch erst die vielfältige Percussionistin Katja Loepke gab der Performance den Rhythmus und schuf gleichsam archaische Klänge aus der Vergangenheit der Menschheit, die im Zusammenspiel mit der Rezitation und den mannigfaltigen anderen Klangensembles die wunderbar meditative Stimmung der Performance ausmachte. Die emotional eindrucksvollsten Momente hatte die Aufführung immer dann, wenn im Dunkeln Geräusche produziert wurden. Plötzlich kommen aus der Finsternis des Raumes Geräusche, fremde und doch vertraute, naturnahe Klänge. Der Raum lässt sich dabei ähnlich stark erfahren, als würde man ihn sehen. Das Ohr ortet die verschiedenen Geräusche im Raum, man hört Distanzen und Nähe, man hört den Raum mit.
Die unglaubliche instrumentale Vielfältigkeit der Künstler wurde dabei direkt in Stimmungen umgesetzt: Meeresrauschen, Froschquaken, Grillenzirpen - den Assoziationen waren keine Grenzen gesetzt. Das Filitosa Project schuf mit seiner Performance eine reizvolle Mischung aus Tanz, Klang und Lesung, die akustische und optische Räume intensiv erfahrbar machte.